Zivilgesellschaftliches Engagement braucht Raum – Anti-NGO-Gesetze stoppen, Menschenrechtsverteidiger stärken

Zum Plenarprotokoll 18/164


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ban Kimoon, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, hat es aus meiner Sicht auf den Punkt gebracht. Er hat gesagt: Demokratie ist das Produkt einer aktiven und lautstarken Zivilgesellschaft. – Gerade als Mitglied des Unterausschusses „Bürgerschaftliches Engagement“ hier im Hause liegt mir sehr viel daran, in einem Land zu leben mit einer Zivilgesellschaft, die hilft und unterstützt, ja, die aber auch hinterfragt, polarisiert, Missstände anprangert und Alternativen aufzeigt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb stemmen wir uns auch gegen die weltweit zunehmende Behinderung der Zivilgesellschaft bei ihrer Arbeit. Eingeschränkt wird der öffentliche Raum, der sogenannte Open Space, in dem zivilgesellschaftliche Organisationen arbeiten. Zu dieser Einschränkung gehört die Registrierung bis hin zur detaillierten Berichterstattung. Ihre Finanzierung durch ausländische Geldgeber wird beschränkt; das hat auch schon deutsche Stiftungen getroffen.

Gesetze und Vorschriften werden oft unter Berufung auf öffentliche Sicherheit und Ordnung missbraucht, um die Zivilgesellschaft an ihrer demokratischen Wächterfunktion zu hindern, zum Beispiel im Kampf gegen Korruption. Anti-NGO-Gesetze werden derzeit weltweit in mehr als 60 Ländern erlassen. Dieses Thema darf nicht ein Thema von Expertinnen und Experten sein, sondern es muss ein Thema für uns alle werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir wollen mit unserem Antrag darauf hinweisen: Es ist ein menschenrechtliches Problem, und es ist ein Problem, das häufig erst sehr spät erkannt wird. Warum? Weil der Raum für die Zivilgesellschaft oft schleichend eingeschränkt wird, zumindest zu Beginn, weil es innerhalb eines Staates an verschiedenen Stellen auftaucht, beispielsweise in Parlamenten durch Anti-NGO-Gesetze oder in Ämtern und Behörden durch die Änderung der Verwaltungspraxis, und weil es in ganz verschiedenen Staatsformen auftaucht, nicht nur in autokratischen Regimen, sondern auch in demokratischen, und das in allen Regionen der Welt, im Süden wie im Norden, in so unterschiedlichen Ländern wie Ägypten, Bolivien, China, Israel, Indien und Russland.

Auch bei uns, meine Damen und Herren, muss sich die Zivilgesellschaft immer wieder neu behaupten. So kämpft Attac derzeit vor Gericht gegen den Entzug des Status der Gemeinnützigkeit wegen des Vorwurfs, man mische sich zu sehr in die Tagespolitik ein.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Natürlich gibt es gerade aus menschenrechtlicher Sicht große Unterschiede im Umgang mit Engagierten, aber wir sollten im Interesse der Menschenrechte und der Demokratisierung überall genau hinsehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es geht weltweit um die vielen kleinen, aber eben auch um die sehr großen und starken Versuche des Verkomplizierens, Diffamierens, Behinderns und Kriminalisierens von zivilgesellschaftlichem Engagement. Diese Prozesse zu entlarven und sich zu solidarisieren, ist Aufgabe aller Demokraten weltweit, und das wollen wir mit unserem Antrag unterstützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

CIVICUS, eine Organisation für Bürgerbeteiligung im globalen Maßstab, hat allein für das Jahr 2014 fast 100 signifikante Einschränkungen der Zivilgesellschaft dokumentiert. In unserem Antrag „Zivilgesellschaftliches Engagement braucht Raum“, den wir hier vorgelegt haben, machen wir konkrete Vorschläge, wie diese Einschränkungen bekämpft werden können.

Auch wenn ich weiß, dass es in dieser Wahlperiode manchmal sehr schwer ist, fraktionsübergreifende Anträge zustande zu bekommen, finde ich, dass dies ein Thema ist, das dies wert ist, und ich würde mich freuen, wenn Sie unserem Antrag zustimmen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)