Fachgespräch „Freiwilligendienste: Engagement weiterentwickeln“

Freiwilliges Engagement ist der Kern einer lebendigen Zivilgesellschaft und stärkt das Rückgrat unserer Demokratie. Freiwilligendienste verbinden Menschen, die sich sonst nie treffen würden und schaffen neue Horizonte, die sich sonst nie eröffnen würden. Jahr für Jahr wollen deutlich mehr Menschen einen Freiwilligendienst leisten, als es Plätze gibt.

 

RAHMENBEDINGUNGEN FÜR FREIWILLIGENDIENSTE VERBESSERN

Um mit Expertinnen und Betroffenen zu diskutieren, wie die Bedingungen besser werden können, hat die grüne Bundestagsfraktion im April 2017 zum Fachgespräch in das Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages eingeladen.

Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für bürgerschaftliches Engagement der grünen Bundestagsfraktion, skizzierte ihre Vorstellungen zur Weiterentwicklung der Freiwilligendienste: Zukünftig solle jeder junge Mensch nach dem Schulabschluss die Chance auf ein freiwilliges Jahr in dem Bereich seiner Wahl haben. Sei es im Sport, im Naturschutz, in der Kita, der Pflege oder im Kulturzentrum. In der Heimat, am anderen Ende Deutschlands oder auf der anderen Erdhalbkugel. Engagement lohnt sich überall und soll überall möglich sein.

FREIWILLIGENDIENSTE ALS CHANCE FÜR ALLE NACH DEM SCHULABSCHLUSS

Dafür wäre ein massiver Platzaufwuchs notwendig: die bestehenden circa 100.000 Freiwilligendienstplätze müssten mindestens verdoppelt werden. Denn Momentan wird die Energie viel zu vieler Menschen ausgebremst – zwei von drei Bewerberinnen und Bewerber auf einen Freiwilligendienstplatz bekommen eine Absage. Für das Freiwillige Ökologische Jahr bewerben sich sogar sechs Personen auf einen Platz. Der Freiwilligendienst solle nicht nur eine bereichernde Erfahrung sein, sondern jeden einzelnen bei der weiteren Lebensplanung unterstützen.

PERSÖNLICHES COACHING ZUR LEBENSPLANUNG

Dafür müssten allen Freiwilligen ein persönliches Coaching neben dem begleitenden Bildungsprogramm angeboten werden. Hierzu gehörten Angebote zur Berufsfindung, Ausbildungs- und Studienplanung.

EVALUATION DER FREIWILLIGENDIENSTGESETZE

Nachdem Dietrich Engels, Mitautor der Evaluation der Freiwilligendienstgesetze, die zentralen Ergebnisse vorgestellt hatte, wurden die Konsequenzen daraus diskutiert. Rainer Hub (Diakonie) stellte fest, dass in dieser Legislaturperiode des Bundestages – abgesehen von dem Bundesfreiwilligendienst Sonderprogramm für Flüchtlinge – nichts passiert sei, um die Freiwilligendienste weiterzuentwickeln und Benachteiligungen abzubauen.

UNTERSCHIEDLICHE STRUKTUREN ODER EIN DACHGESETZ

Rainer Hub plädierte dafür die unterschiedlichen Freiwilligendienstformate in ihrer jeweiligen Struktur zu optimieren und nicht durch ein Dachgesetz über einen Kamm zu scheren.

GRATIFIKATION FÜR FREIWILLIGENDIENSTLEISTENDE

Juliane Meinhold (Der Paritätische Gesamtverband) legte den Fokus ihres Inputs auf die Verbesserung der Anerkennungskultur. Hierfür seien neben Qualifizierungs- und Weiterbildungsangeboten insbesondere partizipative Strukturen für die Freiwilligen ein Ausdruck von Wertschätzung. Darüber hinaus seien kostenlose ÖPNV-Tickets oder eine Befreiung von der Rundfunkgebühr wichtige Zeichen der Anerkennung.

Für einen partizipativeren Ansatz bei den Bildungsseminaren und eine engere Zusammenarbeit mit der Politik sprach sich auch Dominik Evcimen, ehemaliger Bundessprecher des BFD, aus.

FREIWILLIGENDIENSTE IN TEILZEIT

Jens Mädler (Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung) warb dafür, alle Freiwilligendienste auch in Teilzeit zu ermöglichen. Damit würde der Dienst inklusiver und auch für diejenigen attraktiv, die ihn in Vollzeit nicht schaffen. Sei es, weil sie sich zuhause um kleine Kinder oder die Pflege von Angehörigen kümmern oder weil sie selbst beeinträchtigt sind.

Julian Fischer von Wikimedia warb dafür, die Chancen der Digitalisierung bei der Weiterentwicklung der Freiwilligendienste zu nutzen. Hierbei ließe sich von den bisherigen Pilotprojekten wie dem FSJ Digital lernen.

FREIWILLIGENDIENSTE IM AUSLAND

Als letzter Inputgeber ermöglichte Johannes Lauber vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung den Blick über den Tellerrand, mit einem Bericht über den Ausbau der Süd-Nord Komponente im Weltwärts Programm.

KRITIK AM BAFZA

In der Diskussion wurde deutlich Kritik geübt an der Sonderstellung des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (Bafza) und der Pflicht die politische Bildung im Bundesfreiwilligendienst an deren Bildungszentren durchführen zu müssen.

NOVELLE DES FREIWILLIGENDIENSTGESETZES

Auch der Verwaltungsmehraufwand durch unterschiedliche Abrechnungen von Freiwilligen über den Bundesfreiwilligendienst und den Jugendfreiwilligendiensten wurde deutlich kritisiert. Die Bürokratie schluckt Ressourcen, die für die eigentliche Arbeit verloren gingen. Sehr deutlich wurde der Wunsch nach einer Novelle der Freiwilligendienstgesetze.

Ein Freiwilliges Jahr, an dem sich eine Vielzahl der jungen Menschen in unserem Land engagiert, schafft Räume, Menschen mit verschiedener regionaler, kultureller und sozialer Identität zusammenzubringen. Das ist in einer Gesellschaft, die sich zunehmend über geschlossene soziale Räume definiert und diese gleichzeitig beklagt, ein nicht zu unterschätzender Faktor für echte Integration.

BUNDESTAGSFRAKTION BRINGT ANTRAG IN DEN BUNDESTAG EIN

Die grüne Bundestagsfraktion wird deshalb die vielfältigen Anregungen und Empfehlungen aufnehmen und in Form eines Antrags zur Weiterentwicklung der Freiwilligendienste noch in dieser Legislatur in den Bundestag einbringen.