Mündige Bürgerinnen? Zur Diskussion um die „Pille danach“ 27. Januar 2014 Jede und jeder, die/der diese Zeilen liest, wird wahrscheinlich sagen, „Ja, natürlich sind Frauen mündige Bürgerinnen!“ Wir leben schließlich in einer aufgeklärten Gesellschaft und sind auf dem besten Weg, die Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern Wirklichkeit werden zu lassen. Alles richtig. Doch wir sind eben nur auf dem Weg dahin. Und einer der dicksten Stolpersteine auf diesem Weg ist immer noch, die Eigenverantwortlichkeit von Frauen über ihren Körper und ihre Gesundheit anzuerkennen und zu respektieren. Und das bringt uns zum Thema die „Pille danach“. Um was geht es hier eigentlich? Geht es wirklich darum, Frauen vor einem gefährlichen Eingriff zu schützen? Geht es wirklich darum, ungeborenes Leben vor dem todbringenden chemischen Prozess zu retten, also vor einer vermeintlichen „Frühabtreibung“, wie die Junge Union das nennt? Zu letzterer Argumentation: Die „Pille danach“ verhindert oder verzögert hormonell den Eisprung der Frau. Wenn die „Pille danach“ erst eingenommen wird, wenn sich die Eizelle bereits aus dem Eierstock gelöst hat, kann eine Befruchtung nicht verhindert werden. Rechtzeitig eingenommen kann die „Pille danach“ also eine Schwangerschaft verhindern, nicht jedoch eine bereits eingetretene Schwangerschaft beenden. Die „Pille danach“ ist ein Verhütungs-, kein Abtreibungsmittel. So viel zum Thema „Frühabtreibung“. Die „Pille danach“ ist also im Gegenteil eine sinnvolle Ergänzung im Rahmen der Empfängnisverhütung, und als Bestandteil der sexuellen und reproduktiven Selbstbestimmung ein ureigenes Menschenrecht, weil sie eben ungewollte oder unerwünschte Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche verhindert. Wir GRÜNE fordern daher, dass die Verschreibungspflicht der „Pille danach“ mit dem Wirkstoff Levonorgestrel aufgehoben wird und folgen dabei den Empfehlungen des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Die Erfahrungen im Ausland mit der Pille diesen Typs sind sehr positiv. So hat die Pille als solche geringe Nebenwirkungen. In Notlagen ist die Einnahme daher zu empfehlen. Es geht also nicht um eine reguläre Verhütung, sondern um eine angemessene Reaktion auf Vergewaltigungen oder „Unfälle“, wie zum Beispiel ein gerissenes Kondom. Zu unterstellen, dass Frauen die „Pille danach“ als regelmäßiges Verhütungsmittel einsetzen würden, ist eine Frechheit. So bekundete der gesundheitspolitische Sprecher der CDU im Bundestag, Jens Spahn, auf Twitter, diese Arzneimittel seien eben keine „Smarties“, die frau mal so eben einnehmen könnte. Ganz genau. Und deshalb sind Frauen auch in der Lage, den Unterschied zwischen „Smarties“ und Medikamenten zu erkennen. Denn Frauen sind nicht dumm, sie können eigenverantwortlich mit ihrem Körper umgehen und genauso eigenverantwortlich einschätzen, was gut ist für ihn und was nicht. Die vermeintliche Angst vor unkontrollierter Anwendung ist also rein ideologisch begründet und zielt darauf ab, das Selbstbestimmungsrecht von Frauen in der reproduktiven Gesundheit infrage zu stellen. Es ist unglaublich, dass CDU und CSU jeden Anlass dafür nutzen, um diese Rechte mit durch nichts zu beweisenden Vorwürfen zu verweigern. Einer rezeptfreien Abgabe des Präparats Levonorgestrel verweigern sich auch Frauenärztinnen und -ärzte. Bei ihnen sind es in der Hauptsache ökonomische und berufständische Interessen, die ausschlaggebend sind. Die zunehmende Bedeutung von Gesundheitsberatung in der Apotheke stößt hier auf prinzipielle Ablehnung. Wir müssen also leider zur Kenntnis nehmen, dass hinter den Argumentationen derjenigen, die für die Beibehaltung der Verschreibungspflicht plädieren, sich ganz andere Gründe verbergen als die vermeintliche Sorge um die Gesundheit von Frauen. Richtig ist allerdings, dass die Gesundheitsförderung im Bereich der reproduktiven und sexuellen Gesundheit zu wünschen übrig lässt. Die selbstbestimmten Entscheidungen von Frauen basieren auf dem Zugang zu Information und Beratung. Und hier gibt es noch gewaltigen Nachholbedarf in Deutschland, insbesondere für junge Frauen und für Opfer von Gewalt. Im Jahr 1994 hat die UN-Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung in Kairo den Orientierungsrahmen zum Thema „Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte“ verabschiedet. Weltweit ist dieser Orientierungsrahmen seitdem Menschenrecht. Nun sollten wir in diesem Sinne in Deutschland handeln, der Bundesratsvorlage zustimmen und sie umsetzen. Wir GRÜNE aus dem Bundestag werden dazu einen Antrag einbringen. Es wird Zeit, dass die Selbstbestimmung der Frauen über ihren Körper endlich zur Selbstverständlichkeit wird. Wir sind gespannt, wie sich die „GroKo“ am Ende dazu verhalten wird.