Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften

Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir reden heute über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Anpassung im Arzneimittelgesetz, die durch die EU-Verordnung 536/2011 notwendig geworden ist. Aus grüner Sicht gibt es noch erheblichen Diskussionsbedarf. Wir teilen dabei weitgehend die Bedenken, die auch schon vom Arbeitskreis medizinischer Ethikkommissionen und der Bundesärztekammer geäußert wurden. Das gilt in erster Linie für alle Vorschläge, die die Arbeit der unabhängigen Ethikkommissionen betreffen. Diese in Deutschland sehr bewährten Kommissionen haben die Aufgabe, Wissenschaft in ethischer und rechtlicher Hinsicht zu beraten, zu kontrollieren und zu beaufsichtigen und so Rechte und Sicherheit der Probandinnen und Probanden im Sinne der Deklaration von Helsinki zu schützen. Wir sehen die Harmonisierung auf EU-Ebene als wichtig; aber sie darf nicht zulasten der Ethikkommissionen, nicht zulasten der Unabhängigkeit und nicht zulasten der Studienteilnehmer gehen.

Die vorgesehenen Eingriffe, wie die Auswirkungen auf die Arbeitsweise der Kommissionen in den Bundesländern, die zentrale Registrierung und Lizensierung durch das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte und das Paul-Ehrlich-Institut sowie die Einrichtung einer Bundes-Ethikkommission, scheinen problematisch.

Für die Gewährleistung der Sicherheit von klinischen Studien sind die Unabhängigkeit und Interdisziplinarität der Ethikkommission sicherzustellen, und es müssen alle Phasen von Arzneimittelprüfungen mit gesunden und kranken Menschen genauestens geregelt werden. Wie wichtig eine gute Kontrolle bereits im Studiendesign ist, zeigt sich derzeit auch bei der aktuellen Diskussion über nichtinterventionelle Studien, sogenannte Anwendungsstudien, unter anderem durch die Notwendigkeit zur Aufklärung und schriftlicher Zustimmung der Patientinnen und Patienten sowie durch Auswertung und Veröffentlichung durch ein ebenfalls unabhängiges Institut.

Wir unterstreichen, dass grundsätzlich niemand ohne seine freiwillige Zustimmung medizinischen oder wissenschaftlichen Versuchen unterworfen werden darf. Ein weiterer kritischer Punkt sind deshalb aus unserer Sicht die Voraussetzungen für gruppennützige Forschungen mit nichteinwilligungsfähigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Hier sehen wir aus ethischer Sicht sehr präzisen Klärungsbedarf, um die Patientenrechte zu gewährleisten.

Ein weiterer sehr sensibler Punkt ist das Verbot von Fernbehandlungen bzw. Fernverschreibungen. Ob Ausnahmen, zum Beispiel bei bestimmten Erkrankungen, für höhere Sicherheit und Versorgungsqualität von chronisch Kranken oder von Patienten in Dauertherapie möglich sind, ist zu diskutieren. Und auch die Frage: Können wir durch eine Lockerung vielleicht auch Versorgungsdefizite im ländlichen Raum vermeiden? Wie verträgt sich das Verbot mit neuen Versorgungskonzepten im E-Health-Bereich?

Dies sind nur einige Fragen, die sich aus den Vorschlägen der Bundesregierung für das Arzneimittelgesetz ergeben. Ohne jeden Zweifel befindet sich der Arzneimittelbereich derzeit vor großen Herausforderungen. Umso wichtiger ist es, Unabhängigkeit und Patientenrechte in den Mittelpunkt zu stellen.

Die flächendeckende gute Versorgung mit Arzneimitteln aller Patientinnen und Patienten ist unser Ziel. Wir sind gespannt auf die weiteren Beratungen; denn in der heutigen Form können wir dem Gesetz nicht zustimmen.