E-Health und Große Koalition – aus Sicht von Patienten und Apotheken ein schlechter Witz 2. August 2017 Die Große Koalition von CDU und SPD feierte im letzten Jahr ihr E-Health-Gesetz als großen Durchbruch – was nur insofern stimmt, als dass bei den Vorgängerregierungen gar nichts passierte. Über zehn Jahre war die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen beauftragt, eine elektronische Patientenakte zu entwickeln. Stand heute: Eine Karte mit Namen, Geburtstag, Adresse auf einer überholten Technik. Das Mittelalter als bittere Patientenrealität. Patientinnen und Patienten haben ein Recht darauf, nicht länger von der technischen Entwicklung ausgeschlossen zu sein; sie brauchen ein Recht auf ihre eigenen Daten und sie haben ein Recht auf gute Versorgung – bei der alle Gesundheitssektoren und Gesundheitsberufe in ihrem Interesse zusammenarbeiten. Davon sind wir in Deutschland weit entfernt. Krankenhäuser und Kassenärztliche Vereinigungen streiten sich über die Finanzierung von Notfallambulanzen, Pflegeheime und Krankenhäuser transportieren Patienten hin und her, patientenbezogene Informationen fließen zwischen den einzelnen Institutionen mehr als spärlich – um nur einige Beispiele zu nennen. Das ist keine ganzheitliche Versorgung von Patienten. Besonders absurd wird es, wenn man sich die derzeitige Rolle der Apotheken anschaut. Apotheken haben in unserem Gesundheitswesen Schlüsselaufgaben: Durch den leichten Zugang bietet die Apotheke den idealen Anlaufpunkt für die erste, niederschwellige Beratung von Patienten vor Ort. Ihre pharmazeutische Kompetenz war darüber hinaus schon immer das Kennzeichen des Berufstands und wird bei immer komplexer werdenden Therapien (z.B. in der Multimorbidität, Palliativversorgung und Biotechnologie) in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Doch wie werden diese Potentiale der Apotheken durch die Große Koalition im Zuge der Digitalisierung in Wert gesetzt? Gar nicht! So wurde das E-Rezept ausdrücklich verboten. Und mit dem so genannten Medikationsplan schoss die Große Koalition dann noch den Vogel ab: Ein Arzt trägt in seiner Software ein, was er dem Patienten verschreibt. Dieser erhält dann den Plan ausgedruckt (sic!), damit der Apotheker handschriftlich (sic!) weitere Medikamente (also auch OTC!) dazuschreiben kann… Sind wir im Jahre 2017 oder im Papyrus-Zeitalter??? Digitale Innovation muss endlich in guter Patientenversorgung ankommen dürfen. Ernst gemeintes E-Health sollte daher so aussehen: • Elektronische Patientenakte mit hohem Datenschutzniveau und Mitbestimmung und Souveränität der Patienten über ihre Daten • Einbeziehen und Zusammenarbeit aller Gesundheitsberufe (z.B. Apotheker in den Medikationsplan) • Förderung Digitaler Gesundheitskompetenz von Patienten und Gesundheitsberufen • Versorgungsforschung für eine ganzheitliche Patientenversorgung bester Qualität Die Grüne Bundestagsfraktion hat ein umfassendes Papier zur Digitalisierung im Gesundheitswesen vorgelegt https://www.gruene-bundestag.de/gesundheit/mehr-digitalisierung-wagen-26-07- 2017.html. Und auch die hessische Landesregierung macht sich mit dem heute gegründeten „Hessischen Kompetenzzentrum für Telemedizin und E-Health“ auf einen guten Weg. Es wird Zeit, dass das deutsche Gesundheitswesen endlich im 21. Jahrhundert ankommt.