Persönliche Erklärung zur namentlichen Abstimmung: Bundeswehreinsatz gegen die Terrororganisation IS 13. Dezember 2017 Veröffentlicht auch im Plenarprotokoll 19/4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Cem Özdemir, Dr. Danyal Bayaz, Dr. Franziska Brantner, Dr. Anna Christmann, Dieter Janecek, Kordula Schulz-Asche und Daniela Wagner (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union und den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sowie des Beschlusses der Staats- und Regierungschefs vom NATO-Gipfel am 8./9. Juli 2016 und konkretisierenden Folgebeschlüssen des Nordatlantikrats (Tagesordnungspunkt 2) Der Einsatz, der heute zur Verlängerung steht, wurde im November 2015 als Reaktion auf die Terroranschläge in Paris am 13. November 2015 erstmals beschlossen. In den vergangenen zwei Jahren sind auch Deutschland sowie andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union Opfer verheerender Terroranschläge geworden, die auf das Konto des islamistischen Terrorismus gehen. Jeder dieser Terroranschläge, ob in Frankreich, in Deutschland oder anderen EU-Mitgliedstaaten, war ein Angriff auf unsere freiheitliche Ordnung in Europa. Ziel der Attacken waren unsere europäischen Grundwerte der Demokratie, der Achtung der Menschenwürde, der Wahrung der Menschenrechte und des pluralistischen Zusammenlebens in gegenseitigem Respekt. Daher ist es nur konsequent, wenn wir auch gemeinsam als Europäer eine Antwort darauf geben. Der Terror, die menschenverachtende Ideologie und die enorme Gewalt, die von dem IS bzw. Daesh ausgehen, erfordern zweifelsfrei ein entschiedenes Vorgehen der Staatengemeinschaft. Für uns ist klar: Wir werden den IS militärisch nicht besiegen können. Aber wir müssen ihn auch militärisch bekämpfen. Solange in Europa terroristische Anschläge verübt werden, dürfen wir uns diesem Mittel nicht verschließen. Die wichtigste (Finanz-)Ressource des IS ist die unter seiner Kontrolle stehende Bevölkerung und seine Fähigkeit, Tausende Dschihadisten aus aller Welt anzuziehen, zu trainieren und in den Kampf zu schicken. Diese Ressourcen wird man nur einschränken können, wenn man auch weiter militärisch gegen den IS vorgeht und so seine territoriale Kontrolle einschränkt bzw. ganz beendet. Nur so wird es Raum für politische Lösungen in den befreiten Gebieten und für ein Zurückdrängen der globalen Propaganda des Hasses und des Terrors geben. Erst dann kann es den dringend erforderlichen politischen Transformationsprozess in Syrien und eine inklusive irakische Regierung geben. Auch wenn der IS in großen Teilen Syriens bereits zurückgedrängt werden konnte, ist der Krieg immer noch blutige Wirklichkeit im Land. Präsident Macron hat erst am 11. Dezember 2017 erklärt, dass weitere militärische Anstrengungen notwendig seien, um den IS zurückdrängen. Er hat Februar 2018 als Zeithorizont genannt. Die Außenbeauftrage der EU, Federica Mogherini, hat am 11. Dezember 2017 bestätigt, dass die Kämpfe vor Ort weitergehen und weiterhin Zivilisten angegrifen werden. Wir dürfen auch nicht vergessen: Der Krieg in Syrien ist ausgebrochen, weil Assad mit brutaler Gewalt gegen große Teile der Bevölkerung vorging, die sich gegen seine despotische Herrschaft aufehnten. Das Assad-Regime zeichnet für Kriegsverbrechen wie den Einsatz von Fassbomben, chemischen Bomben und die Blockade humanitärer Zugänge verantwortlich. Assad hat den weit überwiegenden Teil der halben Million Toter zu verantworten. Er konnte sich vor allem so lange an der Macht halten, weil ihn die russische Regierung massiv unterstützt hat. Wir kritisieren, dass der Einsatz nicht in eine tragfähige politische Strategie eingebettet ist, die der komplexen und äußerst schwierigen politischen Lage in Syrien Rechnung trägt. Die Rolle des NATO-Staats Türkei in Syrien und Nordirak ist hochproblematisch und widersprüchlich. Die Bundesregierung behauptet, dass ausschließlich Daten der Aufklärungsfüge weitergegeben werden, die für die Bekämpfung von Daesh relevant sind. Angesichts der Entwicklungen in der Türkei weg von Demokratie und Rechtsstaat sowie des türkischen Militäreinsatzes in Syrien, der sich gezielt auch gegen die kurdische Bevölkerung richtet, steht weiterhin der Verdacht im Raum, dass Daten missbraucht werden. Es gibt nach wie vor keinen dem deutschen Bundestag vorliegenden Operationsplan, der die Einsatzregeln für den Einsatz der Bundeswehr festlegt. Das ist kein guter Umgang mit militärischer Verantwortung und eine Missachtung der Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber der Regierung und der Streitkräfte. Aufgrund dieser Umstände können wir dem Einsatz nicht zustimmen. Eine Enthaltung kann dem politischen Dilemma Ausdruck verleihen: „Ja“, weil der IS auch militärisch bekämpft werden muss. „Nein“, weil die politischen Rahmenbedingungen dieses Einsatzes nach wie vor Anlass zu großen Bedenken geben.