Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages macht deutlich: Keine Forschung an nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen!

Pressemitteilung der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Uwe Schummer, Ulla Schmidt und Kathrin Vogler zur gestrigen Anhörung zum Thema „fremdnützige Forschung an nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen“:

Am gestrigen Mittwoch fand die Anhörung zur „fremdnützigen Forschung an nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen“ im Gesundheitsausschuss statt. Die Sachverständigen haben bestätigt, dass die vom Gesundheitsministerium geplante Forschung an nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen, die davon keinen individuellen Nutzen haben, ein Verstoß gegen die Menschenwürde ist. Mit einer Öffnung der Forschung an nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen muss aus Sicht der Experten sensibel umgegangen werden. Es bestehe kein Bedarf, das geltende Verbot einer solchen Forschung aufzuweichen. Vielmehr müsse am heutigen Schutzniveau für Patienten festgehalten werden.

Ursprünglich war geplant, über die Forschung an Demenzerkrankten bereits Ende September im Deutschen Bundestag abzustimmen. Fachleute und Abgeordnete des Deutschen Bundestages haben jedoch gegen diese vorgesehene Regelung erhebliche Bedenken geäußert. Auf Initiative der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche (Grüne), Ulla Schmidt (SPD), Uwe Schummer (CDU) und Kathrin Vogler (Linke) wurde die gestrige Anhörung zu diesem ethisch brisanten Thema angesetzt und damit die Entscheidung vertagt.

Bereits im Vorfeld konnte der Änderungsantrag um die Abgeordneten Schulz-Asche, Schmidt, Schummer und Vogler die meisten Unterstützerinnen und Unterstützer um sich vereinen. Dennoch legte der Gesundheitsausschuss fest, dass Rede- und Fragezeiten sowie die Anzahl der Sachverständigen gleichmäßig auf alle Änderungsanträge aufgeteilt wurden. Die bewährte Tradition bei fraktionsübergreifenden Gruppenanträgen, dass Rede- und Fragezeiten sowie Sachverständigen-Anzahl proportional nach der jeweiligen Zahl der Unterstützer zugeteilt werden, wurde in diesem Fall ausgehebelt.

Die sechs Sachverständigen der Befürworter einer Gesetzesänderung konnten nicht überzeugen. Es blieb offen, wie eine Patientenverfügung spezifisch ausgestaltet sein müsste, um einen ausreichenden Schutz für den Probanden bzw. die Probandin zu bieten. Die Verfügung ist daher weder praktikabel noch entspricht sie geltenden medizinischen und ethischen Standard klinischer Forschung, lautet das Fazit des Sachverständigen Prof. Eckhard Nagel von der Universität Bayreuth.

Es wurde klar, dass es keinerlei Ausstiegsoptionen für Probanden nach zuvor erklärter Einwilligung in die Forschungsmaßnahme gibt. Das Recht, jederzeit ohne Begründung und Nachteile die Studienteilnahme zu beenden, könne nicht gewährleistet werden. Forschungsethische Grundsätze dürften aber nicht zur Disposition stehen, forderte Prof. Andreas Lob-Hüdepohl von der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin.

Eine ausreichende Beratung der Patienten durch Ärztinnen und Ärzte würde in der Praxis an Grenzen stoßen. Für eine gute Aufklärung bedürfe es einer Anleitung mit verlässlichem Wortlaut. Diese könne es aber nicht geben, wenn das Forschungsdesign unklar sei, warnte Lob-Hüdepohl.

Prof. Johannes Pantel von der Goethe-Universität Frankfurt am Main stellte als Praktiker klar, dass medizinischer Fortschritt nicht behindert werde, wenn fremdnützige Forschung an nichteinwilligungsfähigen Menschen wie bisher verboten bliebe.

Die Befürworter einer solchen Öffnung argumentierten in der Anhörung, dass eine Forschung auch an nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen notwendig sei, um etwa eine halbwegs rationale Bestimmung einer Medikation für diese Personengruppe künftig festlegen zu können. Auf Nachfrage konnten sie jedoch keine konkreten Beispiele liefern, die eine zwingende Öffnung belegen könnten.

Prof. Pantel warnte zudem eindringlich davor, die Risiken und Belastungen durch Arzneimittelstudien gerade für Demenzpatienten zu verharmlosen. In vielen Studien seien massive Eingriffe in die Freiheitsrechte, wie Fixierungen oder Eingriffe in den gewohnten Tagesablauf, nötig. Für Nichteinwilligungsfähige könne diese Situation in den meisten Fällen Panik auslösen.

Die Anhörung machte deutlich: Der Schutz dieser höchst vulnerablen Personengruppe darf nicht aufgeweicht werden. Mit einer Änderung der Gesetzeslage wären heute unabsehbare Folgen zum Nachteil der Patienten verbunden. Deshalb muss die geltende Rechtslage beibehalten werden. Im November wird der Deutsche Bundestag dazu abstimmen.