Heute für morgen helfen – Engagement für Geflüchtete stärken

Zum Plenarprotokoll 18/167


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe engagierte Menschen! Ich freue mich sehr, Ihnen heute einen Antrag vorstellen zu können, der für meine Fraktion und mich eine besondere Bedeutung hat. Das liegt auch an seiner Entstehungsgeschichte. Das letzte Jahr war überwältigend, weil so viele Menschen zu uns gekommen sind, um ausgerechnet hier nach Schutz und Frieden zu suchen. Es war aber auch überwältigend, dass Zehntausende auf die Straßen und Bahnhöfe kamen, um diese Menschen bei uns willkommen zu heißen. Diese Bilder werden zu meinen wichtigsten Erinnerungen und Eindrücken des letzten Jahres gehören.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Überwältigend ist auch, wie lange schon die Lust am Engagement anhält und mit welcher Kreativität Menschen in Deutschland Willkommenskultur leben, zum Beispiel bei der Essensausgabe, dadurch, dass sie Apps programmieren, Schultüten für Kinder füllen oder als Paten mit Rat und Tat beim Start in der neuen Heimat zur Seite stehen. Anfang dieses Jahres haben wir als grüne Bundestagsfraktion über 80 engagierte Initiativen aus vielfältigen Projekten der Zivilgesellschaft nach Berlin eingeladen, um gemeinsam zu diskutieren, wie wir von der Willkommenskultur des letzten Jahres zu einer Willkommensstruktur kommen, auch im bürgerschaftlichen Engagement.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Wir haben viele gute Ideen aufgenommen. Sie finden sich heute in dem vorliegenden Antrag. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns als Parlament gemeinsam die Stärkung und Unterstützung der Zivilgesellschaft zu eigen machten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In Zeiten wie diesen wird deutlich, dass der Staat nicht alles voraussehen und auch nicht alles vorausplanen kann und wie wichtig es ist, eine lebendige, eine selbstbewusste Bürgerschaft zu haben. Das ist demokratiefördernd .Die letzten Monate haben nicht nur unser Land, sondern auch die Zivilgesellschaft verändert. Es engagieren sich Menschen, die das bisher nicht getan hatten, und in einem Ausmaß, das wir nicht zu erhoffen wagten. Die Freiwilligen, die sich nun neu engagieren, sind oft höher qualifiziert, haben häufig selbst einen Migrationshintergrund und sind jünger als die klassisch Engagierten. Viele Flüchtlinge wollen selbst anpacken und Aufgaben übernehmen. Auch wenn es am Anfang öfter mal Reibungsverluste zwischen den Freiwilligen und den Verwaltungen gab, so hat sich mittlerweile vieles eingespielt. Jetzt kommt es darauf an, die auf Soforthilfe ausgerichtete Willkommenskultur in eine auf Dauer angelegte Willkommensstruktur zu überführen. Wir brauchen daher auch vonseiten der Politik mehr Engagement für das Engagement.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Langfristige, verlässliche und unbürokratische Förderung muss jetzt her, damit sich die Lust am Engagement
nicht in Frust verwandelt. Deswegen schlagen wir vor, die vor Ort bestehenden Engagementstrukturen und das professionelle Freiwilligenmanagement zu stärken, und zwar durch die Förderung kommunaler Koordination.
Wir wollen eine vom Bund bereitgestellte zentrale Onlineplattform. Wir wollen Supervision und Fortbildung
für Engagierte ausbauen und fördern, und wir wollen prüfen, ob Weiterbildung für das Engagement auch als Bildungsurlaub anzuerkennen ist. Wir wollen die zivilgesellschaftlichen Initiativen – ich denke, das ist ein Punkt, den wir gerade in diesen Monaten stärker in den Blick nehmen müssen – vor rassistisch motivierter Hetze und Gewalt schützen; denn dies dürfen wir als demokratische Gesellschaft nicht hinnehmen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE])
Wir müssen die Engagierten schützen und die Initiative finanziell absichern, und wir brauchen ein bundesweites Opferberatungsstellennetz. Wir brauchen auch – das ist die letzte Forderung – für die Geflüchteten einen unkomplizierten Zugang zu Vereinen und zu den Freiwilligendiensten, und wir müssen dafür sorgen, dass durch ihr Engagement keine Nachteile im Asylverfahren entstehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich bitte Sie, die Unterstützung und Förderung des bürgerschaftlichen Engagements nicht nur mit blumigen Worten, sondern auch in konkreter Politik mit konkreten Maßnahmen im anstehenden Integrationsgesetz zu berücksichtigen; denn wie man in den Wald hineinruft, so schallt es hinaus. Sorgen wir dafür, dass wir einen positiven Schall aus der engagierten Zivilgesellschaft unseres Landes bekommen!
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE])