Deutschland und die Welt 20 Jahre nach dem Völkermord in Ruanda 19. Oktober 2014 Nach dem Völkermord in Ruanda – leider wirklich erst danach – hielt die Internationale Gemeinschaft einen Moment inne, schämte sich für ihre Untätigkeit und versuchte, Lehren für die Zukunft zu ziehen. Die Vereinten Nationen und einige Länder, die bilateral mit Ruanda zusammengearbeitet hatten, arbeiteten ihre eigene Rolle in den Jahren vor und während des Völkermords auf. Das Ergebnis war die Entwicklung internationaler Instrumente der Frühwarnung und Prävention von Völkermord, besonders die Responsibility to Protect, die 2005 durch die Vereinten Nationen anerkannt wurde. Schaut man heute – 20 Jahre später – Nachrichten über die Krisen in der Welt, ist man erneut sprachlos über die Hilflosigkeit der internationalen Gemeinschaft, aber auch Deutschlands. Zum Beispiel beim Schutz von Menschen in Syrien und Irak vor ISIS, um nur ein Beispiel der aktuellen Krisenherde, in denen schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden, zu erwähnen. Aber der ISIS-Vormarsch ist vielleicht von besonderer Bedeutung für die Frage nach der generellen Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen zum Schutz der Menschenrechte: Offensichtlich haben alle präventiven Maßnahmen versagt – sogar die rasante Entwicklung von ISIS wurde unterschätzt. Und wenn selbst in diesem Fall, bei dem alle Mitglieder des Sicherheitsrates Handlungsbedarf sehen, keine wirklich robuste Mandatierung von UN-Missionen zustande kommt, wann denn sonst? Gibt es noch die Einigkeit, dass die Menschenrechte universell und schützenswert sind, wie das nach dem Zweiten Weltkrieg oder nach Ruanda war? Stattdessen wird auch heute erst lange gewartet, um dann in Aktionismus auszubrechen. Für die betroffenen Menschen ist es dann häufig zu spät. Die Ähnlichkeiten zur Bewältigung der Ebola-Krise kommen nicht von ungefähr. Krisen haben eine Vorgeschichte, sie entwickeln sich und wenn sie ausbrechen, treffen sie auf Organisationen der VN, Europa oder Deutschland, bei denen die vertikale und horizontale Koordination und Kooperation höchstens auf der Arbeitsebene existiert. Zusätzlich fehlt die Kohärenz der Politik zwischen den Themenfeldern. In der Außen- und Entwicklungspolitik, die es als Querschnittsthemen besonders schwer haben, wird das besonders deutlich. Eine Lehre ist bereits, dass es viel früher Sonderbeauftragte geben muss, die über ausreichend Gestaltungsmacht verfügen, um frühzeitig ein abgestimmtes Vorgehen zwischen diversen Ministerien und Organisationen zu erreichen. Der 20. Jahrestag des Völkermords in Ruanda mahnt uns (d.h. die Weltgemeinschaft als Ganzes), viel mehr als bisher daraus zu lernen, wie man rechtzeitig Krisen verhindern und den Schutz der Menschenrechte universell zum Ziel erklären kann – und dieses Ziel dann auch entschieden verfolgt. Dazu gehört vor allem auch, sich so objektiv wie möglich mit den eigenen Fehlern in der Vergangenheit zu beschäftigen. Aus dem deutschen Bundestag heraus gibt es derzeit Initiativen, die Rolle Deutschlands in der Zeit vor und während des Völkermords in Ruanda aufzuarbeiten. Auch in Frankreich werden von jungen Parlamentariern und Historikern derzeit wieder Fragen zur weiteren Aufarbeitung gestellt. Und sicher ist es notwendig, möglichst alle Erkenntnisse zusammenzutragen, um daraus zu lernen – auf deutscher, europäischer und internationaler Ebene. Hoffentlich gelingt dies noch vor dem 25. Jahrestag des Völkermords in Ruanda. * Dieser Artikel wurde für die Internetseite von Genocide Alert geschrieben.