Die Ebola-Epidemie und das Trauerspiel der Bundesregierung

Im Spandauer Stachel schildert Kordula Schulz-Asche, was die Deutsche Politik aus den Fehlern beim Umgang mit der Ebola-Epidemie für die Zukunft lernen sollte:

 Seit nunmehr einem halben Jahr wütet das Ebola-Virus in Westafrika. Die Epidemie ist aber nicht mehr ausschließlich nur eine Bedrohung für die Gesundheit der Menschen vor Ort und eine Zerreißprobe für die politische, wirtschaftliche und soziale Zukunft der betroffenen Länder, sondern auch ein Armutszeugnis für das fehlende Krisenmanagement der Bundesregierung. Es ist eigentlich klar, was zu tun ist, wenn es zur Ausbreitung einer ansteckenden Krankheit kommt: Schnell und koordiniert handeln. Dies hat die Bundesregierung bis heute nicht getan. Anstatt ressortübergreifend einen Krisenplan mit allen Beteiligten zur Eindämmung des tödlichen Virus auf den Weg zu bringen, wird die Verantwortung zwischen den Ministerien hin und her jongliert.

Jetzt plötzlich – nach vielen dringlichen Appellen der Nichtregierungsorganisationen und der liberianischen Präsidentin – erleben wir einen aktionistischen Überbietungswettlauf einzelner Ministerinnen und Minister und eine Bundeskanzlerin, die mit dem Finger lieber auf andere zeigt, um von den eigenen Versäumnissen in den letzten Monaten abzulenken. Wer die eigentliche Federführung hat, weiß bisher niemand – das Auswärtige Amt ist es nur auf dem Papier. Da hilft auch die Ernennung eines Ebola-Beauftragten zunächst wenig, wenn seine Aufgaben, Ausstattung sowie seine Weisungsbefugnis gegenüber anderen Ministerien nicht geklärt sind. Die Bundesregierung versagt bisher auf ganzer Linie, wenn es darum geht, schnell und koordiniert gegen die Ebola-Epidemie vorzugehen.

Blicken wir zurück: Bereits im März dieses Jahres wurden erste Ebola-Fälle aus Guinea gemeldet. Rasant breitete sich das Virus daraufhin aus und erreichte die dicht besiedelten Küstenregionen Afrikas. Guinea, Liberia und Sierra Leone gehören zu den krisengeschüttelten Ländern, deren nationale Gesundheitssysteme ebenso wenig entwickelt sind, wie das Vertrauen der Bevölkerung in die staatliche Autorität. Als sich das Virus schließlich im Juli auf Nigeria ausbreitete und sich die Medienberichte häuften, wurde auch die Bundesregierung aktiv. Sie richtete einen Krisenstab im Auswärtigen Amt ein. Doch im Schlaraffenland der Bürokratie beschränkte sich dieser auf Informationsaustausch, Prüfaufträge und Aktennotizen. Anstatt einen Notfallplan mit verfügbaren personellen, technischen und logistischen Kapazitäten der verschiedenen Ministerien und staatlichen sowie zivilen Organisationen in Deutschland aufzulegen, entschied man sich fürs Nichtstun.

Auch die Einstufung der Ebola-Epidemie zum internationalen Gesundheitsnotfall durch die Weltgesundheitsorganisation Anfang August beeindruckte weder den Krisenstab noch das gesamte Kabinett. Schnell füllte man einen Blankoscheck für Hilfsgüter aus, der bei Weitem nicht dem internationalen Finanzierungsschlüssel der WHO für Deutschland entspricht. Man erhoffte wohl, damit die zunehmenden kritischen Stimmen ruhig zu stellen. Obwohl längst klar war, dass die betroffenen Länder den Ausbruch mit ihren vorhandenen Mitteln und den personellen Ressourcen nicht mehr alleine stoppen können und es dringend massiver Unterstützung von außen bedarf, blieb die Bundesregierung untätig. Immerhin war man auch mit anderen Krisenherden wie Irak und Syrien sowie der Ukraine beschäftigt.

Es bedurfte erst mehrerer Appelle von Nichtregierungsorganisationen, einen Brandbrief der liberischen Präsidentin an die Kanzlerin, einen grünen „Beschleunigungsantrag“ sowie die Ankündigung amerikanischer Unterstützung in den Krisengebieten, damit die Bundesregierung aus ihrem Dämmerschlaf langsam erwachte. So kam es schließlich am 19. September zum ersten Treffen auf Ebene der Staatssekretäre. Doch wer auf ein Machtwort bezüglich der Zuständigkeit und konkrete Schritte der Bundesregierung im Kampf gegen Ebola gehofft hat, wurde bitter enttäuscht. Scheinbar noch völlig schlaftrunken verlor sich die Runde wiedermal in weiteren Prüfaufträgen und Ankündigungen von Maßnahmen. Zumindest ein kleiner Fortschritt sollte erzielt werden: Das Technische Hilfswerk, welches krisenerfahren und in 72 Stunden einsatzbereit ist, konnte sich nun endlich auf den Weg in die betroffenen Länder machen. Doch gerade bei der personellen Unterstützung nahm die Planlosigkeit und fehlende Systematik weiter ihren Lauf.

Während Frau Von der Leyen quasi im Alleingang im Frühstücksfernsehen um Freiwilligen in der Bundeswehr warb, legte anschließend auch der Bundesgesundheitsminister Gröhe nach. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich freue mich darüber, wie viele Menschen sich in kürzester Zeit bereit erklärt haben, in einer solchen Krise zu helfen und habe großen Respekt vor dieser Entscheidung. Doch hätte Ursula von der Leyen von Anfang an klar benennen müssen, welche Kompetenzen vor allem gefragt sind.

Zudem wurde offenbar völlig vergessen, dass es auch eine Verantwortung gegenüber den Menschen gibt, die sich auf solch einen Aufruf hin melden. Bis heute, also drei Wochen nach dem Aufruf, hat die Bundesregierung immer noch nicht die für die Freiwilligen zentralen Fragen beantwortet: Nach welchen Kriterien wird ausgewählt? Inwieweit ist ein Rückführungstransport bei einer Infektionen überhaupt gesichert? Wer informiert die Freiwilligen über ihre Rechte, die Bedingungen vor Ort und ihren Versicherungsschutz? Gibt es eine Nachbetreuung, zum Beispiel im Falle einer Traumatisierung? Es wird noch mehrere Wochen dauern, bis alle Fragen geklärt und geeignetes Personal in die betroffenen Länder geschickt werden kann. Doch die Zeit drängt: Die WHO oder auch Ärzte ohne Grenzen sowie das Deutsche Rote Kreuz rufen seit Wochen nach mehr Personal.

Die Ebola-Epidemie zeigt: Der Umgang mit der Gesundheitskrise ist ein Trauerspiel der deutschen Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs- und Gesundheitspolitik und an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Und was macht währenddessen die mächtigste Frau der Welt? Anstatt den Kampf gegen Ebola zur Chefsache zu erklären, kritisiert sie den schleppenden Anlauf von Ebola-Hilfen auf europäischer Ebene, um von der eigenen Inkompetenz abzulenken. Wann ist Frau Merkel endlich geneigt, die Irrfahrt ihres Kabinetts zu beenden? Es bleibt derweil ein Kabinett der Unwilligen, Unfähigen und Unverbesserlichen. Und es bleibt weiterhin die Frage offen: Wer managt eigentlich diese Krise?