Die Pflege braucht eine Pflegekammer

Jedes Jahr zu Florence Nightingales Geburtstag am 12. Mai wird der Tag der Pflegenden begangen. Und jedes Jahr hören wir von der Wichtigkeit der Pflege für unsere Gesellschaft. Aber wieso eigentlich herrscht weiterhin große Unzufriedenheit sowohl auf Seiten der Patientinnen und Patienten, als auf als auch auf Seiten der Pflegenden?

Die Fakten sind allseits bekannt. Interessierte sind herzlich eingeladen, sie auf meiner Website, zum Beispiel unter „Auswege vor dem drohenden Pflegegau“ nachzulesen. Wir sprechen hier unter anderem vom demographischen Wandel, Fachkräftemangel und den ökonomischen Vorgaben, die allmählich das normative Leitbild der Krankenversorgung aufreiben. Pflege ist von vielen Seiten einem ungeheuren Druck ausgesetzt. Es hat den Anschein, dass wenn ein Loch gestopft wird, zwei neue entstehen.

Aber wie kommt es eigentlich, dass die Pflege sich so wenig Gehör in der Politik und bei den konkurrierenden Interessenverbänden, wie zum Beispiel dem Ärzteverband verschaffen kann? Warum ist es möglich, dass in Hessen die Zahl der Ärzte in den Jahren von 1991-2013 um 55 Prozent angestiegen ist, die der Pflegekräfte aber gleich geblieben ist? Wo ist der Berufsstand der Pflege, der hier in Gesetzgebungsverfahren oder gegenüber den anderen Interessenverbänden und den Versorgern eine machtvolle Stimme erheben könnte?  

Hier kommt die so genannte Pflegekammer ins Spiel. Die Pflegekammer ist eine Vertreterversammlung des Berufsstands der Pflegenden. Sie ist dazu da, die Berufe in der Pflege aufzuwerten und die Rolle der Pflegekräfte innerhalb der Gesundheitsberufe endlich zu stärken und ihnen die Bedeutung zukommen zu lassen, die sie schon längst haben müssten. Sie ist dazu da, der Pflege eine politische Stimme zu geben und als gleichberechtigter Partner für die Ärztekammer und die Apothekerkammer in den Debatten um die Ausgestaltung des Gesundheitswesens aufzutreten. In der Rechtsform „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ kann eine Pflegekammer von vornherein schon einmal auf ganz anderem Niveau agieren, als das bislang bei den unterschiedlichen privaten Interessenvertretungen der Pflegekräfte der Fall gewesen ist. Darüber hinaus kann eine Pflegekammer eine eigene Berufsordnung erlassen, die über selbst festgesetzte Leitlinien definiert ist, die höhere Qualitätsstandards im Pflegeberuf möglich machen und damit sowohl den Pflegekräften, als auch den Patientinnen und Patienten zugutekommen. Das gleiche gilt natürlich auch für die Regelung der Fort- und Weiterbildung.

In Rheinland-Pfalz hat mit Beginn des Jahres eine Landespflegekammer ihre Arbeit aufgenommen. Niedersachsen wird wohl in Kürze folgen. In Hessen haben sich die Grünen für eine hessische Pflegekammer in ihrem Wahlprogramm von 2014 ausgesprochen. (http://www.gruene-hessen.de/partei/files/2013/07/Regierungsprogramm-Wahlprogramm-GR%C3%9CNE-Hessen-Interaktiv.pdf, s.S.84) Ich persönlich plädiere dafür, dass auch in den anderen Bundesländern endlich der Schritt zur Gründung von Pflegekammern angegangen wird. Die Argumente der Kritiker, zum Beispiel bezüglich der Kosten für die Mitgliedschaft, den Befürchtungen vor mehr Bürokratie oder höheren Personalkosten bei aus definiertem Berufsbild können die Vorteile einer Pflegekammer meiner Meinung nach nicht erschüttern. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Tarife von Pflege und Ärzten in Krankenhäusern immer mehr auseinanderdriften, wäre es nun auch an der Zeit für die zuständige Gewerkschaft, die Gründung von Pflegekammern mit zu forcieren. Wir brauchen die Pflege auf Augenhöhe. Wir brauchen Pflegekammern.