Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV (GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz – AMVSG)

Zum Plenarprotokoll Drucksache 18/221


Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Was vor zwei Jahren mit dem sogenannten Pharmadialog begann, findet nun heute sein vorläufiges Ende im sogenannten Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz, das hier heute zur Abstimmung steht. Nach zwei Jahren Dialog und einem Jahr Beratung im Parlament ein solches Gesetz vorzulegen, halte ich für einen schlechten Scherz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Gesetz zeigt, wie unter einer Großen Koalition Reformstillstand dazugehört, und dies gerade im so wichtigen Bereich der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln.

Wir hatten schon immer befürchtet, dass der Pharmadialog der Großen Koalition scheitern wird. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutierten drei Ministerien, zwei von der CDU und eines von der SPD geführt, gemeinsam mit der Pharmaindustrie über Mittel und Wege, die Arzneimittelforschung und den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Nur am Katzentisch, wenn sie überhaupt beteiligt waren, saßen die Krankenkassen, die Patientenvertreter, die Zivilgesellschaft, unabhängige Experten und die Bundestagsabgeordneten als Vertreter der gesetzgebenden Gewalt.

Das Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz wird heute mit seiner Verabschiedung ein Beleg dafür sein, dass der Pharmadialog gescheitert ist; denn die komplexen Herausforderungen der Arzneimittelversorgung sind wieder nur vertagt worden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was steht denn überhaupt in diesem Bauchladen, in diesem Gesetz? Das Preismoratorium für Arzneimittel, die vor 2011 auf den deutschen Markt kamen, wird nun bis Ende 2022 verlängert. Auch ich halte das für einen unvermeidbaren Schritt, um die derzeitige Arzneimittelversorgung überhaupt bezahlbar zu halten. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass dies kein nachhaltiger Schritt ist und vor allem kleine und mittlere pharmazeutische Hersteller treffen wird, die die steigenden Lohnkosten durch die seit Jahren fixierten Preise nicht abbilden können.

Außerdem werden die Rabattverträge abgeschafft, die bisher zwischen den Krankenkassen und Zytostatika-herstellenden Apotheken geschlossen wurden. Die neuen Instrumente sind hinsichtlich der Versorgung jedoch nicht ausreichend durchdacht. Unklar bleibt, wie die Qualität für die Patienten mit Krebserkrankungen auf Dauer gesichert werden kann.

Meine Damen und Herren, das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten, Onkologen und Apotheken ist zentral für eine erfolgreiche Behandlung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei einem Markt mit einem Umsatz von 3 Milliarden Euro pro Jahr muss man darauf achten, dass auch die Korruptionsanfälligkeit wirklich ausgeschlossen ist.

Es gibt ein paar richtige Korrekturen, die vorgeschlagen werden. Dazu zähle ich die Anhebung der Apothekenvergütung um rund 110 Millionen Euro, den verstärkten Einsatz von Diagnostika in der Antibiotikatherapie, um Resistenzen zu vermeiden, die Einführung des Arztinformationssystems – das ist gerade schon angesprochen worden –, damit die Nutzenbewertung endlich auch in der Arztpraxis ankommt und somit die Patientenversorgung gestärkt werden kann.

Versprechen des Pharmadialogs. Erst in dieser Woche, in letzter Minute, wurden zwei wesentliche Regelungen aus dem AMVSG entfernt. Die Umsatzschwelle, die die Kosten für neue, innovative Arzneimittel im ersten Jahr der Markteinführung begrenzt hätte, kommt nicht. Die Schwelle war mit 250 Millionen Euro ohnehin so hoch, dass sie im letzten Jahr nur bei drei Medikamenten wirksam geworden wäre. Anstatt die Schwelle abzusenken, wird die Regelung ganz gestrichen. Das ist wirklich unglaublich; denn das ermöglicht den Herstellern, im ersten Jahr der Markteinführung weiter unbegrenzt die Preise festzusetzen, die sogenannten Mondpreise. Das hätte wirklich nicht passieren dürfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wenn wir die Preise gerade bei innovativen Medikamenten nicht in den Griff bekommen, dann werden entweder die Krankenkassenbeiträge explodieren, oder es werden immer mehr Patienten von der Versorgung ausgeschlossen. Deswegen fordern wir ganz deutlich, dass die zwischen Kassen und Herstellern ausgehandelten Rabatte vom ersten Tag der Markteinführung an gelten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Gestrichen wurde – glücklicherweise, muss man sagen – die Abschaffung der Transparenz der ausgehandelten Erstattungspreise. Diese Transparenz führt dazu, dass die in Deutschland ausgehandelten Preise auch in anderen Ländern als Referenzpreis dienen. Peinlich für die Bundesregierung ist nur, dass es ohnehin das einzige positive Ergebnis aus dem Pharmadialog für die Pharmaindustrie war, und das streichen Sie auch noch, meine Damen und Herren. Das einzige Ergebnis des Pharmadialogs ist seit Anfang dieser Woche Geschichte.

Mittelfristig ist die Gesundheitsversorgung mit dem vorliegenden Gesetz nicht auf dem heutigen Stand zu halten. Sie haben es noch nicht einmal geschafft, dass alle damit zufrieden sind.

Herr Gröhe hat gestern hier an dieser Stelle gesagt: Das Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz ist ein Gesamtkunstwerk. – Das ist es weiß Gott nicht. Es ist vertane Zeit für alle Beteiligten gewesen. Der Pharmadialog ist ein Dialog nach dem Motto gewesen: Außer Spesen nichts gewesen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)