Zweifel an der Wirksamkeit der Neuraminidasehemmer Tamiflu und Relenza 9. Mai 201421. März 2021 Zur Antwort der Bundesregierung – Drucksache 18/1384 Kleine Anfrage der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Dr. Harald Terpe, Maria Klein-Schmeink Vorbemerkung der Fragensteller: Tamiflu und Relenza sind die meistverkauften Grippemittel der Welt. Nach zwei aktuell veröffentlichten Studien der Cochrane-Collaboration, einem weltweiten Netzwerk von unabhängigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, ist die Wirksamkeit der beiden zu den Neuraminidasehemmern zählenden Medikamente zweifelhaft. Die Analyse von 20 Studien zu Tamiflu (T. Jefferson et al. (2014): Oseltamivir for influenza in adults and children: systematic review of clinical study reports and summary of regulatory comments) und 26 zu Relenza (C. J. Heneghan et al. (2014): Zanamivir for influenza in adults and children: systematic review of clinical study reports and summary of regulatory comments) mit insgesamt mehr als 24 000 Patientinnen und Patienten zeigt, was Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen seit dem Jahr 2009 immer wieder diskutierten: Tamiflu und Relenza sind laut der aktuellen Auswertung der vollständigen Zulassungsstudien nicht dazu geeignet, Grippe wirkungsvoll zu bekämpfen bzw. dieser vorzubeugen. Die Auswertung ergab, dass Tamiflu beispielsweise im Vergleich zu Placebo die klinischen Symptome bei Erwachsenen zwar geringfügig von 7 auf 6,3 Tage verkürzen konnte; bei Kindern zeigte sich dieser minimale Effekt aber nicht. Auch der immer wieder behauptete Schutz vor schweren Komplikationen, wie Lungenentzündung, Bronchitis, Nebenhöhlenentzündung oder Mittelohrentzündungen, ließ sich nicht nachweisen. Zudem blieb die Behauptung, dass eine präventive Behandlung mit Tamiflu eine Ansteckung bzw. Weiterverbreitung des Influenzavirus verhindere, unbewiesen. Beide Medikamente führen – anders als behauptet – auch nicht dazu, dass weniger Patientinnen und Patienten ins Krankenhaus eingewiesen werden mussten. Das Risiko von Nebenwirkungen, wie starke Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen, stieg hingegen durch die Einnahme unter Tamiflu um 5 Prozent. Angesichts der aktuell vorliegenden Auswertungen der vollständigen Zulassungsunterlagen der beiden antiviralen Arzneimittel Tamiflu und Relenza sind deren weiterer Einsatz und Bevorratung deutlich zu hinterfragen. Nach dem Ausbruch der Schweinegrippe (A/H1N1) und der unklaren Bedrohungslage hatte Deutschland vor allem im Jahr 2009 Oseltamivir (Tamiflu) von der Firma Roche Deutschland Holding GmbH oder Zanamivir (Relenza) von der Firma GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG in großen Mengen bestellt. Da die antiviralen Arzneimittel nach Angaben der Bundesregierung ein geeignetes Mittel darstellten, um während einer Influenzapandemie die Mortalität und Morbidität in der Bevölkerung zu reduzieren bis ein für das aktuelle Influenzavirus spezifischer Impfstoff zur Verfügung steht, wurden für die Beschaffung von Tamiflu gut 70 Mio. Euro durch die Bundesregierung aufgewendet (Bundestagsdrucksache 17/13202). Die Bundesländer haben im Rahmen der Pandemieplanung antivirale Arzneimittel flächendeckend für mindestens 20 Prozent der deutschen Bevölkerung bevorratet, wofür schätzungsweise ein dreistelliger Millionenbetrag ausgegeben wurde. Als „Multiorganversagen“ bezeichnen die Cochrane-Forscher Tom Jefferson und Peter Doshi das fehlende Engagement auf allen politischen und regulatorischen Ebenen, um eine umfassende Arzneimittelbewertung von Tamiflu und Relenza vornehmen zu können. In der „Süddeutschen Zeitung“ vom 10. April 2014 („Sargnagel für Grippemittel“) wird kritisch hinterfragt, wieso sich die Bundesländer auf den Bund bzw. das Robert Koch-Institut (RKI) und dieses wiederum auf eine wissenschaftlich nicht haltbare Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) berufe, wonach Tamiflu ein sinnvolles Mittel gegen Grippe sei.