Die sogenannte »Pille danach« endlich aus der Rezeptpflicht entlassen


Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Kordula Schulz-Asche, Bündnis 90/Die Grünen.

Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erneut fordern wir heute, die sogenannte Pille danach endlich aus der Rezeptpflicht zu entlassen, und erneut erleben wir heute ein Trauerspiel der CDU/CSU. Sie steht gegen die Mehrheit dieses Hauses, die Mehrheit des Bundesrates und auch gegen die Vernunft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Position der Union ist fachlich nicht haltbar, und ihr fällt nicht einmal auf, dass sie sich instrumentalisieren lässt. Seit Jahren wird das Selbstbestimmungsrecht von Frauen in Deutschland beschnitten, die befürchten, nach einem Geschlechtsverkehr ungewollt schwanger zu werden. CDU und CSU verweigern diesen Frauen, was in fast allen europäischen Ländern und den USA übliche Praxis ist: der direkte, rezeptfreie, schnelle Zugang zur Notfallverhütung mit dem Wirkstoff Levonorgestrel. Wenn es nach der Vernunft gehen würde, dürfte ihre Verhinderungsstrategie nicht länger greifen. Wir haben es hier mit einer kruden Mischung aus mindestens drei Punkten zu tun: Erstens lässt die Union eine Bevormundung von Frauen zu und unterstellt ihnen, sie würden oder könnten nicht verantwortungsvoll selbst entscheiden. Zweitens lässt sie sich vor den Karren von berufspolitischen Interessen sowie den Absatzinteressen eines einzelnen Pharmaherstellers spannen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Drittens ist die SPD in der Koalitionsdisziplin gefangen: Sie will zwar, aber sie kann nicht.

Besonders pikant ist, dass die Union durch das Hören auf einzelne Ärzteverbände den Hersteller des doppelt so teuren, in seinen Nebenwirkungen weniger bekannten Wirkstoffs Ulipristalacetat massiv fördert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das verwundert; denn dieses Arzneimittel entstammt derselben Wirkstoffklasse wie das Produkt Mifepriston, das für medizinisch induzierte Schwangerschaftsabbrüche zugelassen ist. Eine abtreibende Wirkung kann also nicht ausgeschlossen werden. Überspitzt formuliert heißt das: Die Union fördert den Absatz einer Abtreibungs- anstelle einer Verhütungspille. Damit hätte ich übrigens – vermutlich im Gegensatz zu Ihnen – kein grundsätzliches Problem. Ich habe aber ein Problem damit, dass deutsche Frauenärzte diesen Wirkstoff zum Standard erklären wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das, meine Damen und Herren, steht im klaren Widerspruch zur Bewertung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, das eine dem Gesundheitsministerium untergeordnete Behörde ist.

Das Geschmäckle wird verstärkt, wenn die treibende Kraft hinter den Empfehlungen der deutschen Frauenarztverbände, den Wirkstoff Ulipristalacetat als Standard zu definieren, eindeutig in Interessenkonflikten steht. So findet man in internationalen Publikationen den Hinweis darauf, dass diese treibende Kraft der Frauenärzte als Berater von HRA, dem Hersteller des Wirkstoffs, tätig ist. Hinzu kommt, dass die Empfehlung der Frauenarztverbände ausschließlich auf die Hotline und die Internetseite dieses Herstellers verweist. Hinweise auf Seiten von Herstellern der Pille danach mit dem Wirkstoff Levonorgestrel fehlen völlig. Dies ist übrigens vor allem im Interesse des Herstellers HRA; denn der Absatz seines Produkts beschränkt sich faktisch ausschließlich auf Deutschland. In anderen Ländern der EU ist er gar nicht auf dem Markt. Auch das verstärkt das Gefühl, dass hier unerwünschte Interessenverquickungen vorliegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir Grüne setzen uns dafür ein, dass Frauen das Recht haben, nach einer Verhütungspanne selbstbestimmt eine nicht gewollte Schwangerschaft zu verhindern, dass das Medikament so schnell wie möglich zur Verfügung steht, weil es dann besonders wirksam ist, und dass Frauen eine informierte Entscheidung treffen können. Dazu wollen wir die Beratung in den Apotheken stärken und Entscheidungshilfen im Internet anbieten. Daher fordern wir, die Rezeptfreiheit für die Pille danach mit dem Wirkstoff Levonorgestrel in Deutschland endlich einzuführen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Unionsabgeordneten und -abgeordnetinnen fordere ich ausdrücklich auf, kritisch zu überprüfen, ob sie sich von anderen vor den Karren spannen lassen wollen. Die Hoffnung habe ich noch nicht aufgegeben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit,

(Beifall beim BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Nicht so abschätzig, Frau Kollegin! „Abgeordnetinnen“! Nicht so abschätzig, auch wenn Sie sie nicht leiden mögen!)

gerade und besonders Ihnen ganz persönlich. Danke schön.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Vielen Dank.

Die Rede bezieht sich auf den Antrag der Fraktion DIE LINKE. »Pille danach jetzt aus der Rezeptpflicht entlassen«. Siehe Drucksache 18/2630