Krebs durch Glyphosat: Wie gefährlich ist das Pflanzengift?

Bericht der Grünen Bundestagsfraktion zum Fachgespräch

 


 

Die Einstufung des Allzweck-Unkrautkillers Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ durch die WHO-Krebsexperten ist wissenschaftlich solide begründet. Die vom Unternehmen Monsanto, das das bekannte glyphosathaltige Pestizid Roundup vertreibt, und deutschen Behörden vorgebrachten Zweifel am Urteil der von der WHO-Krebsforschungsagentur IARC eingesetzten Wissenschaftler sind nicht haltbar. Das wurde jetzt bei einem Fachgespräch der grünen Bundestagsfraktion deutlich, bei dem sich erstmals seit der Glyphosat-Einstufung IARC-Experten öffentlich zu ihren Erkenntnissen äußerten. Es darf keine Zulassungsverlängerung für Glyphosat geben, solange der Krebsverdacht nicht widerlegt ist.

 

Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ bekräftigt

Die beiden Experten Prof. Dr. Christopher J. Portier und Prof. Dr. Dr. Ivan I. Rusyn (Leiter der IARC-Unterarbeitsgruppe zu Mechanismen der Krebsauslösung) bekräftigten dabei die Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“. Portier sagte, auch er persönlich schätze das Risiko des Wirkstoffs ganz genauso ein. Die umfassende Abhandlung (Monografie) der IARC zur Glyphosat-Einstufung soll laut Portier und Rusyn noch im Juli vorgelegt werden.

Rusyn machte klar, dass ausreichend Evidenz, also Hinweise auf die krebsauslösende Wirkung von Glyphosat, vorhanden sei – es wurden alle öffentlich zugänglichen Studien ausgewertet, die den Standards der IARC entsprechen. Er bezeichnete die IARC-Auswertung (Evaluation) als den „Goldstandard“ bei der Beurteilung von potentiellen krebserregenden Stoffen (Kanzerogenen). Er wies außerdem darauf hin, dass die zuständige deutsche Behörde, das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), mit öffentlichen Verlautbarungen bezüglich „fehlender Studien“ besser warten solle, bis die Monografie veröffentlicht ist – und wies Vorwürfe zurück, die IARC verschleppe die Veröffentlichung. Ganz im Gegenteil: Üblicherweise dauere das sorgfältige Zusammentragen der Ergebnisse in Schriftform, das auf die einjährige Auseinandersetzung der ausgewählten Wissenschaftler mit dem Thema folge, mindestens zwölf Monate. Aufgrund der öffentlichen Relevanz von Glyphosat wurde in diesem Fall eine Veröffentlichung bereits nach vier Monaten angekündigt, was erkennen lässt, mit welchem Hochdruck und welcher Priorität die IARC an der Monografie arbeitet. Portier stellte noch einmal klar, dass die IARC eine grundlegende Risikoeinschätzung vornimmt, „yes or no“.

 

Massive Gesundheitsprobleme in Südamerika

Prof. Dr. Elizabeth Bravo vom “Netzwerk für ein gentechnikfreies Südamerika“ und Julia Sievers-Langer von der Agrar Koordination e.V. machten ergänzend zur medizinischen Fach-Diskussion gesundheitliche und Umwelt-Auswirkungen vor allem in Südamerika deutlich. Bravo stellte klar: „Glyphosatbasierte Herbizide rufen nicht nur Krebs hervor, sondern sind auch für andere massive Gesundheitsprobleme in Südamerika verantwortlich, wie zum Beispiel Missbildungen bei Neugeborenen“. Julia Sievers-Langer griff in ihrem Beitrag auch das Zulassungsverfahren an: „Der kombinierte Einsatz mehrerer Pestizide ist in Gentechnikpflanzen-Anbausystemen angelegt, aber die Wechselwirkungen sind vollkommen unzureichend erforscht“. Beide stellten dar, dass es bei der Debatte um die Erneuerung der Zulassung in Europa auch um eine Vorsorge für die Bevölkerung in Drittländern gehen muss. „Entwicklungspolitik darf nicht zur Marktöffnungspolitik für Monsanto, Syngenta, Bayer & Co. verkommen“, sagte Uwe Kekeritz, Sprecher für Entwicklungspolitik, beim Fachgespräch. „Agrarindustrielle Strukturen erschweren den Zugang zu Land, schränken Einkommensmöglichkeiten erheblich ein, verschlechtern die Ernährungssituation und zerstören die Biodiversität. Und sie schaffen ökonomische Abhängigkeiten, die die Ernährungssouveränität ganzer Länder gefährdet. Die extreme Gesundheitsgefahr durch Glyphosat gerade in den ärmsten Ländern ist nicht zu akzeptieren.“

 

Umfassende Reform mit unabhängiger Auftragserteilung von Studien

Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Prävention und Gesundheitswirtschaft, sagte: „Unser Fachgespräch hat deutlich gezeigt, dass der Einsatz von Glyphosat nicht nur eine agrarpolitische, sondern auch eine entwicklungspolitische sowie eine gesundheitspolitische Dimension hat. Die Einstufung von Glyphosat durch die IARC als „wahrscheinlich krebserregend“ und die Debatte nach dieser Entscheidung zeigen, dass wir hinsichtlich der Risikobewertung eine umfassende Reform mit unabhängiger Auftragserteilung und Erstellung von Studien benötigen. Zudem wurde deutlich, dass wir eine bessere Datengrundlage zu den Auswirkungen von Glyphosat brauchen. Die Bundesregierung muss umgehend ein Ressortforschungsprogramm zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Glyphosat auflegen.“

 

Glyphosat muss aus dem Verkehr gezogen werden

Harald Ebner, Sprecher für Gentechnik und Bioökonomie, zog das Fazit und forderte: „Die Politik muss zum Schutz der Bevölkerung endlich konkrete Maßnahmen ergreifen und darf nicht länger abwarten. Das gebietet das Vorsorgeprinzip. Solange der Krebsverdacht nicht widerlegt ist, muss Glyphosat aus dem Verkehr gezogen werden. Auf keinen Fall darf jetzt einfach die Glyphosatzulassung um weitere zehn Jahre verlängert werden. Es ist unerträglich, wie Behörden und Pestizid-Konzerne unisono das Urteil der WHO-Experten in Zweifel ziehen, statt es ernst zu nehmen und endlich konkret etwas zu unternehmen.“