Persönliche Erklärung zur namentlichen Abstimmung: Bundeswehreinsatz in Afghanistan 23. März 2018 Veröffentlicht auch im Plenarprotokoll 19/23 „Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Omid Nouripour, Kerstin Andreae, Dr. Danyal Bayaz, Dr. Anna Christmann, Ekin Deligöz, Anja Hajduk, Dr. Bettina Hofmann, Ottmar von Holtz, Dieter Janecek, Dr. Tobias Lindner, Friedrich Ostendorf, Dr. Manuela Rottmann, Stefan Schmidt, Kordula Schulz-Asche, Markus Tressel und Daniela Wagner (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewafneter deutscher Streitkräfte am NATO-geführten Einsatz Resolute Support für die Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte in Afghanistan (Tagesordnungspunkt 8)“ Die Bundeswehr befndet sich seit über einem Jahrzehnt im Einsatz in Afghanistan. Heute verfolgt sie dabei keinen Kampfauftrag mehr, sondern nimmt mit dem Einsatz Resolute Support die Rolle einer Ausbilderin und Unterstützerin der afghanischen Sicherheitskräfte ein. Als Führungsnation im Norden Afghanistans ermöglicht die Bundeswehr den Einsatz von mehr als 20 Nationen. Gerade weil die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor sehr fragil ist, erachten wir es als richtig und notwendig, dass eine solche Unterstützung auch weiterhin sichergestellt wird. Es bedarf eines langfristigen Engagements der internationalen Gemeinschaft, vor allem mit ziviler Hilfe und wirtschaftlichem Engagement, damit sich Afghanistan weiterentwickeln kann. Dies kann jedoch nur in einem sicheren Umfeld stattfnden. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind noch nicht in der Lage, alleine für Sicherheit zu sorgen. Sollten die internationale Gemeinschaft und die Bundeswehr die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte jetzt beenden, würden die Chancen für ziviles Engagement und eine langfristige friedvolle Entwicklung des Landes genommen werden. Frieden kann es letztlich nur auf Grundlage einer politischen Lösung in Afghanistan geben. Der Friedensvorschlag der afghanischen Regierung an die Taliban ist das weitreichendste politische Angebot seit 2001. In diesem Sinne ist die Kabuler Konferenz ein ermutigendes Signal, dass Frieden in Afghanistan möglich ist, wenn alle Seiten ihm eine Chance geben wollen. Präsident Ghani hat mit dem Angebot eines Wafenstillstandes, der Anerkennung der Taliban als politischer Partei, der Freilassung von Gefangenen und der Aufhebung der Sanktionen einen wichtigen Schritt in Richtung Frieden getan. Es ist richtig, dass Verhandlungen auf Basis der afghanischen Verfassung stattfnden müssen und der afghanische Rechtstaat in Verhandlungen nicht zur Disposition stehen kann. Kommt es zu tragfähigen Gesprächen zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung, dann ist es folgerichtig, dass auch die Zukunft der internationalen Präsenz Gegenstand dieser Verhandlungen ist. Dass die internationale Abschlusserklärung diesen Zusammenhang anerkennt, ist von zentraler Bedeutung. Die Bundesregierung muss endlich alte Fehler des Afghanistan-Engagements angehen. Dazu zählt vor allem das Verhältnis zur Antiterrorpolitik der USA, die mit der Verkündung der amerikanischen Südasienstrategie im August 2017 sogar noch ausgeweitet werden soll. In den letzten Jahren haben „night raids“ oder zahlreiche Bombardierungen, bei denen auch Zivilistinnen und Zivilisten ums Leben gekommen sind, sehr stark dazu beigetragen, dass ausländische Streitkräfte an vielerlei Orten die Köpfe und Herzen der Afghaninnen und Afghanen verloren haben. Die Bundesregierung muss sich im Rahmen der NATO und gegenüber den USA dafür einsetzen, dass dieses falsche Vorgehen beendet wird. In Zusammenarbeit mit der afghanischen Regierung muss die internationale Gemeinschaft einen nachvollziehbaren Plan vorlegen, der die Zukunft der Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte regelt. Eine Antwort braucht es ebenso dringend für das Problem der hohen Zahl an Gefallenen und Deserteuren in den afghanischen Sicherheitskräften. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind in den letzten Jahren in großer Zahl gewachsen und haben beachtliche Erfolge erzielt; doch die Qualität der Ausbildung hat nicht immer Schritt gehalten. Auch in den afghanischen Ministerien gibt es noch Beratungsbedarf. Verlässliche Zusagen und ein langfristiges Engagement braucht es vor allem im zivilen Bereich – von der Rechtsstaatsförderung bis zur wirtschaftlichen Entwicklung. Schwerpunkt deutscher Entwicklungszusammenarbeit muss es sein, gute Regierungsführung und die Einhaltung der Menschenrechte, insbesondere der Frauenrechte, zu fördern. Gerade für die vielen jungen Menschen in Afghanistan muss Deutschland besonders engagiert bleiben im Bereich Bildung und bei der Beschäftigungsförderung klare Akzente setzen. Die Bundesregierung muss über den gesamten Zeitraum der Transformationsdekade – bis 2024 – dafür angemessene Mittel bereitstellen. Diese Mittel an die Rücknahme von Flüchtlingen zu koppeln, ist eine Erpressungspolitik, die wir kritisieren. Der Afghanistan-Einsatz ist der längste und kontroverseste Auslandseinsatz der Bundeswehr, der nicht nur Afghanistan, sondern Deutschland geprägt hat. Abertausende Soldatinnen und Soldaten und zivile AufbauhelferInnen haben beim Wiederaufbau mitgeholfen. Ihre Erfahrungen müssen in die wichtige Diskussion, wie die Bundesrepublik sich in Zukunft in Auslandseinsätzen einbringen sollte, einfießen. Die Bundesregierung verweigert sich aber weiterhin einer unabhängigen Evaluierung des deutschen Afghanistan-Engagements. Das ist der Bedeutung dieses Einsatzes völlig unangemessen Mit dem Beginn ihres militärischen Engagements hat die internationale Gemeinschaft eine Schutzverantwortung für die Menschen in Afghanistan übernommen. Dieser Verantwortung wollen wir gerecht werden. Im Zivilen und, solange notwendig, auch im militärischen Bereich. Das Bild, das sich ergibt, wenn man nach der Bilanz des Einsatzes fragt, ist vielschichtig. Es geht den Afghaninnen und Afghanen besser als unter der Herrschaft der Taliban. Die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung ist zwischen 15 und 29 Jahren alt. Es ist eine junge Generation, die erfahren hat, was es heißt, in einem friedlicheren und freieren Afghanistan zu leben. Ihnen und ihren Hofnungen schulden wir Beistand. Wir stimmen daher dem Antrag der Bundesregierung zu.