Gesundheit für alle ermöglichen – Gerechtigkeit und Teilhabe durch ein modernes Gesundheitsförderungsgesetz

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Ein gesundes und langes Leben wünschen wir uns alle. Wir wissen, dass gesunde Ernährung, mehr Bewegung und eine gute Stressbewältigung dazu beitragen, lange gesund zu bleiben und bis ins hohe Alter mobil zu sein. Doch was sich so einfach anhört, ist im Alltag mit Zeitdruck und Hektik in der Schule, am Arbeitsplatz, bei der Kindererziehung oder dem intensiven Pflegen von Angehörigen oft schwer umsetzbar.

Zudem beeinflusst die soziale Lage unser Wohlergehen. Geringe Bildung sowie geringes Einkommen, schlechte Wohnverhältnisse und fehlende soziale Teilhabe wirken sich negativ auf unsere Gesundheit aus. Wer weniger hat, stirbt früher: In Deutschland sterben ärmere Männer 10,8 Jahre früher als Wohlhabende; bei Frauen beträgt der Unterschied 8,4 Jahre. Um der bestehenden sozialen Ungleichheit von Gesundheitschancen entschieden entgegenzuwirken, kommt guter Gesundheitsförderung eine besondere Bedeutung zu.

Gesundheitsförderung setzt darauf, die Kompetenzen, das Selbstwertgefühl und die Selbstachtsamkeit der Menschen zu steigern und die aktive Teilhabe und Teilnahme an der Gestaltung der eigenen Umwelt zu ermöglichen. Gesundheitsförderung umfasst somit die nichtmedizinische, ganzheitliche individuelle und soziale Primärprä- vention und stößt Veränderungsprozesse mit allen Beteiligten dort an, wo sie leben, lernen und arbeiten. Das Ziel ist, das Wohlbefinden zu steigern, Gesundheitsrisiken zu reduzieren und damit letztendlich Krankheiten zu vermeiden.

Der Bundesregierung gelingt es im Gesetzentwurf nicht, die Weichen für diesen grundlegenden Ansatz zu stellen. Mit der beliebigen Verwendung der unterschiedlichen Präventionsarten und der Vermengung der Begrifflichkeiten trägt sie zur Verwirrung bei. Bei Gesundheitsförderung geht es – im Gegensatz zum medizinischen Präventionsbegriff – um viel mehr als nur um einzelne Krankheiten, deren Verhinderung, deren Früherkennung oder deren Behandlung. Diese medizinischen, kurativen, rehabilitativen bzw. pflegerischen Ansätze sind bereits Teil des Leistungsangebots der Sozialversicherungen und bedürfen keiner weiteren Regelung.

Obwohl Gesundheitsförderung ein zentrales Handlungsfeld der Gesundheitspolitik darstellen müsste, hatte sie in den letzten Jahren nicht den Stellenwert, den sie verdient. Nach mehr als zehn Jahren und drei gescheiterten Gesetzesanläufen legt die Bundesregierung nun ein Präventionsgesetz vor. Dieses wird jedoch kaum wirken. Der Gesetzentwurf versäumt es, Gesundheitsförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu verstehen, zu organisieren und in den Alltagswelten der Bürgerinnen und Bürgern dauerhaft zu verankern. Die Bundesregierung wird weder den Beschlüssen des Bundesrates (Drucksache 753/12, 217/13 (B), 17/14791, 640/14) noch den gesundheitspolitischen Möglichkeiten und Erfordernissen, die u. a. der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen in seinen Gutachten (SVR 2007: Kooperation und Verantwortung – Voraussetzung einer zielorientierten Gesundheitsversorgung, SVR 2005: Koordination und Qualität im Gesundheitswesen) verdeutlicht hat, gerecht. Dazu gehört u. a. die Einbeziehung der Gesamtgesellschaft und aller Sozialversicherungsträger.

Im Gegensatz zur Bundesregierung setzen wir bei der Ausrichtung der Gesundheitsförderungspolitik auf Chancengerechtigkeit, Alltagsweltbezug, Partizipation, Langfristigkeit sowie die Einbeziehung der wesentlichen Akteure, einschließlich der Bürgerinnen und Bürger selbst. Wir wollen allen Menschen ermöglichen, das Wissen, die Kompetenz und die Gelegenheit zu haben, ein gesundes Leben zu führen.

Unsere Umwelt ist unserer Gesundheit Schmied. Deshalb sind individuelle, zeitlich begrenzte Kursangebote allein nicht zielführend. Was wir brauchen, sind langfristige Maßnahmen, die zur Verbesserung der Alltagswelten wie Kita, Schule, Unternehmen, Senioreneinrichtung oder Stadtteil beitragen, die gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet und realisiert werden. Durch eine langfristige Integration der Programme und der Finanzierung der Gesundheitsförderung in den Alltagswelten wollen wir der bisherigen oft nur Marketing-gesteuerten Projektitis von Krankenkassen ein Ende setzen.

Wir wollen, dass dort, wo die Menschen zusammen kommen und die meiste Zeit ihres Lebens verbringen, gesundheitsförderliche Angebote gebündelt bzw. optimiert, die Zusammenarbeit der Akteure (Leistungserbringer, Kostenträger, Kommunen und Landkreise, Kammern, Jobcenter, Patientenvertretungen, Bürgerinnen und Bürger etc.) ermöglicht und nachhaltige Strukturen gerade auch auf kommunaler Ebene geschaffen werden. Dabei ist an Vorhandenes anzuknüpfen, wie beispielsweise eine stärkere Kooperation mit der Schulsozialarbeit bzw. der Kinder- und Jugendhilfe oder Programme wie die „Soziale Stadt“. Dabei wollen wir die Kommunen und Kreise in ihren Kompetenzen und ihrer Verantwortung aufwerten.