Bakteriophagen als Ersatz für Antibiotika? 11. März 2016 Es gibt neue Entwicklungen im Kampf gegen Antiobiotika-Resistenzen, die fast so ein bisschen klingen wie aus einem Science-Fiction-Szenario: „Gute“ Viren – Bakteriophagen genannt – fallen über krankheitserregende Bakterien her, injizieren ihnen ihre DNA und programmieren sie damit in neue „gute“ Phagen um. Doch wir sind hier gar nicht im Kino, sondern reden von einer möglichen Ersatztherapie bei Krankheiten, bei denen kein Antibiotikum mehr hilft. Der unreflektierte und massenhafte Einsatz von Antibiotika in den letzten Jahren bei Mensch und Tier hat ja bekanntermaßen dazu geführt, dass die bislang scharfe Klinge der Antibiotika im Kampf gegen Infektionskrankheiten stumpf geworden ist. Das hat verheerende Folgen: Schätzungen zufolge werden bis 2050 weltweit 10 Millionen Menschen an Infektionen durch multiresistente Erreger sterben. Höchste Zeit also für neue Strategien bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Eine davon könnte die Wiederbelebung der Bakteriophagen-Therapie sein. Bekannt ist die heilende Wirkung der Bakteriophagen schon seit 100 Jahren; im Westen ist sie auf Grund der Entwicklung der Antibiotika in Vergessenheit geraten. In Osteuropa, gerade in Polen und in den Ländern der Sowjetunion hat sich die Kenntnis über die Prozesse beim Einsatz von Bakteriophagen aber erhalten. Nun werden Rufe lauter, die Bakteriophagen-Therapie auch in Deutschland schnell und unbürokratisch zugänglich zu machen. Hier aber sind meiner Meinung ein paar Bedenken angebracht. Ich halte es für eine gute Entwicklung, dass wir nun international und auch in Deutschland wieder in diese Richtung forschen. Gesicherte klinische Studien, die bislang nicht existieren, werden dringend benötigt, denn auch die Therapien mit Bakteriophagen haben Risiken. So können zum Beispiel die Bakterien untereinander Resistenzen entwickeln, die im schlimmsten Fall wiederum Krankheiten übertragen könnten. Auch die weiteren Vorteile der Therapie müssen ausgelotet werden, Stichwort „personalisierte Medizin“. Bakteriophagen sind auf eine ganz bestimmte Bakterienart spezialisiert und könnten so zielgerichtet individuell für die Patienten eingesetzt werden. Solange unsere Kenntnisse über die Bakteriophagen-Therapie aber noch so rudimentär sind, halte ich Forderungen nach einem vereinfachten Zulassungsverfahren für verfrüht. Das Zulassungsverfahren und die Nutzenbewertung auch hinsichtlich der Kostenerstattung durch die Kassen in Deutschland sollten wir nicht vorschnell infrage stellen. Kurz zusammengefasst: Patient*innen-Sicherheit an erster Stelle; deshalb gründliche Forschung & Entwicklung und Nutzenbewertung. Und dann könnte vielleicht aus dem Science-Fiction-Szenario Realität bei der Bekämpfung von antibiotikaresistenten Krankheiten werden.