GroKo verschleppt Engagementbericht

Traurig aber wahr – die erste von der Koalition aufgesetzte Debatte zum Engagement ist der letzte Tagesordnungspunkt des letzten Tages der letzten Sitzungswoche in dieser Wahlperiode. In den vergangenen vier Jahren hat der Bundestag nur ein einziges Mal explizit über das Engagement von Abertausenden Menschen diskutiert. Im April 2016 sorgten wir dafür, dass das bewundernswerte Engagement für Geflüchtete auf der Tagesordnung stand. Das Engagement für Flüchtlinge hat die Zivilgesellschaft verändert. Es engagieren sich Menschen, die das bisher nicht getan haben. Die neuen Freiwilligen sind oft höher qualifiziert, haben häufiger selbst einen Migrationshintergrund und sind jünger als die „klassisch Engagierten“. Viele, die bisher politisch nicht aktiv waren, erlebten das Versagen und die Langsamkeit von Staat und traditionellen Institutionen. Sie wollten nicht mehr zuschauen und abwarten, sie gingen neue Wege und sie politisierten sich.

Man könnte glauben, das Engagement der vielen Millionen freiwillig und ehrenamtlich bürgerschaftlich Engagierten ist für die Koalition aus CDU/CSU und SPD nicht der Rede wert. Die Bundesregierung brauchte ein Jahr um ihre Stellungnahme zum Engagementbericht zu verfassen. Das führte nicht nur zu Unmut bei der Kommission, die diesen Bericht ehrenamtlich erarbeitet hatte, sondern auch in weiten Bereichen der Engagementlandschaft. Dieser Ärger ist sehr gut nachvollziehbar, da damit viel Zeit ins Land gegangen ist, in der sich die Abgeordneten mit den Empfehlungen der Kommission hätten beschäftigen können.

Die Sachverständigenkommission des Zweiten Engagementberichts hat ganze Arbeit geleistet und zeigt auf 550 Seiten den Handlungsbedarf in der Engagementpolitik auf – sei es bei der Stärkung von Partizipation, beim Bürokratieabbau oder bei der Förderung vom Ehrenamt in den Blaulichtorganisationen. Leider hat die Bundesregierung die Veröffentlichung des Berichts bis ganz zum Schluss der Wahlperiode verschleppt und setzt daher die Empfehlungen auch nicht mehr um. Die grüne Bundestagsfraktion legt deshalb in mehreren Anträgen parallel zur Debatte des Engagementberichts Vorschläge vor.

Freiwilligendienste ausbauen und weiterentwickeln

In den vier Jahren große Koalition hat sich nichts bei der Weiterentwicklung der Freiwilligendienste getan. Stattdessen hat die Koalition, die sonst nie mit der Linken an einem Strang ziehen will, in trauter Dreisamkeit das Subsidiaritätsprinzip via Bundeshaushalt 2015 massiv geschädigt. Die grüne Bundestagsfraktion hat als Einzige gegen die Staatsfixierung der drei anderen Fraktionen bei der politischen Bildungsarbeit der Bundesfreiwilligendienste gestimmt. An den Bildungszentren in der jetzigen Form und dem jetzigen Konzept festzuhalten geht an vielen Bedürfnissen der Freiwilligen vorbei und ist dazu unnötig teuer. Statt Jahr für Jahr mindestens 30 Millionen Euro in die Bildungszentren des „Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben“ zu stecken, fordern wir durch ein mit den freien Trägern entwickeltes Konzept die pädagogische Bildungsarbeit in allen Freiwilligendiensten weiter zu stärken und mit einem persönlichen Coachingprogramm zu versehen. Mit unserem Antrag „Freiwilligendienste ausbauen und weiterentwickeln, Engagement anerkennen und attraktiver machen“ zeigen wir, wie die Freiwilligendienste ausgebaut und zukunftsfähig gemacht werden können. Jeder junge Mensch soll die Möglichkeit bekommen, sich im Rahmen eines freiwilligen Jahres für unsere Gesellschaft zu engagieren. Wir wollen die Freiwilligendienstplätze deshalb in einem ersten Schritt verdoppeln.

Blaulichtorganisationen in Not

Auch das freiwillige und ehrenamtliche Engagement in den Organisationen des Bevölkerungsschutzes wurde von der Regierung in den letzten vier Jahren nicht gut behandelt. Der Engagementbericht mit dem Schwerpunkt Demografie zeigt großen Handlungsbedarf auf. Rund 1,7 Millionen Männer und Frauen engagieren sich ehrenamtlich oder freiwillig in Hilfsorganisationen, Rettungs- und Sanitätsdiensten, den Freiwilligen Feuerwehren, dem Technischen Hilfswerk. Trotz des hohen gesellschaftlichen Stellenwerts haben einige massive Nachwuchsprobleme und der demographische Wandel droht diese Entwicklung zusätzlich zu verschärfen.

Allerdings gibt es auch gewaltige Potenziale, die die Organisationen bisher nicht ausschöpfen können. Sowohl der Frauenanteil als auch der Anteil von Migrant*innen, ist in den meisten Organisationen noch klein. Was die Bundesebene hier beitragen kann, findet sich in unserem – von der Koalition abgelehnten Antrag.

Weiterhin Unsicherheit bei Gemeinnützigkeit

Beim Thema Gemeinnützigkeit gießt die Koalition Öl ins Feuer, statt zu löschen. Der Fall Attac ist bekannt geworden, aber es betrifft eine Vielzahl von Organisationen. Der Finanzgerichtshof Hessen hat Ende 2016 den Entzug der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt Frankfurt zurückgenommen und betont, dass gemeinnützige Zwecke wie Bildung oder Förderung des demokratischen Gemeinwesens ohne Einfluss auf politische Willensbildung kaum zu verfolgen seien. Viele dachten, der Fall sei damit erledigt. Aber weit gefehlt: Schäubles Ministerium veranlasste das Finanzamt Frankfurt eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof einzulegen. Damit herrscht weiter Unsicherheit statt Rechtssicherheit. Wie letztere hergestellt werden kann, zeigen wir in unserem Antrag.

Der Engagementbericht ist für die weitere Arbeit eine wertvolle Grundlage. Es bleibt viel zu tun – für starkes Engagement und starke Engagierte.

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